Ermoclia (Moldawien), 5.5 – 11.5

Ermoclia (Moldawien), 5.5 – 11.5

**Ostern der Toten**

Am Freitag trampte ich Richtung Moldawien. Ich hatte eine Einladung über Couchsurfing erhalten, am jährlichen „Ostern der Toten“, dem Gedenktag an verstorbene Angehörige am Montag, beizuwohnen. Es war ca. 780km von Sosnivka entfernt, d.h. wenn ich schnell und Donnerstag schon gestartet wäre, hätte ich es unter Umständen mit dem Fahrrad geschafft. Doch dann hätte ich weder etwas vom Rest der Ukraine gesehen, noch viel von Moldawien, da das Dorf von A.s Eltern (Ermoclia) im Südosten Moldawiens liegt. Deshalb war trampen die einzig vernünftige Lösung – mein Fahrrad ließ ich in Sosnivka und würde es danach abholen und die Fahrradtour später fortsetzen.

Es war das erste Mal, dass ich in der Ukraine trampte, da die Krim 2014 ja schon unter russischer Kontrolle war. Es lief jedenfalls nicht so gut, bzw. am Freitag konnte ich nicht viele Kilometer zurücklegen. Nachdem ich mit einem Mann mitgenommen wurde, der Möbel aus Deutschland importiert und dann schon im Dunkeln von einem Motorradfahrer, der mit mir hintendrauf mit 110 km/h über die schlechten Straßen raste und mir anbot, bei seiner Babuschka (Oma) zu übernachten, packte ich mich gegen 1Uhr morgens schließlich einfach am Straßenrand auf meine Matte.
Am Samstag lief es schon besser. So ergatterte ich eine Fahrt von der moldawischen Grenze bis fast in das Dorf – allerdings nach bestimmt 3 Stunden warten und es war auch schon spät, als wir ankamen, sodass ich das Angebot meines Fahrers Haralambie, bei ihm in einer Art nicht genutztem Zweithaus zu übernachten, annahm.

Am Sonntag kam ich also dann wie geplant in Ermoclia an. Mit A. und ihrem Freund Jakub fuhren wir ein bisschen auf Fahrrädern herum: Zu ein paar Seen und Feldern, an denen wildes aber echtes Marihuana wuchs. Abends gingen wir ins Dorfzentrum, wo wir eine Party in einem Klub vermuteten. Allerdings wurde nur im Kulturzentrum laute Musik gespielt, wobei vielleicht etwa 10 Leute auf der Tanzfläche anwesend waren.

Am Montag ging es dann rund. Das Fest begann und was soll ich sagen? Es war verrückt. Es ist erstaunlich, wie viele Bräuche existieren und wie bizarr einige sind. Die Bilder und das Video sagen bestimmt mehr als tausend Worte, aber ich werde versuchen, das Spektakel ein bisschen zu erklären.
Eine Woche nach dem orthodoxen Ostermontag wird den Verstorbenen gedacht. Die Menschen kehren in ihre Heimatdörfer zurück und gehen mit viel Essen und Trinken zum Friedhof. Dort werden die Gräber mit den Nahrungsmitteln im wahrsten Sinne aufgeschüttet. Es ist sehr buntes Treiben.
Derweil läuft ein Priester mit singendem Anhang herum und segnet die Verstorbenen. Dabei nimmt er Hefte mit den Namen der zu Segnenden und eine entsprechende Summe Geld (vlt 0,10€ je Name bei einem Monatsgehalt von 200€) entgegen. Beim Segnen heben die Angehörigen das Essen an und wackeln damit. Danach wird ihm pro Grab ein Glas Wein mit einem weiteren Geldschein (ca. 1€) gegeben. Den Wein schüttet er auf das Grab. Den Geldschein lässt er, wie den anderen auch, so unauffällig wie möglich in seiner Tasche verschwinden. Je mehr Geld, desto länger verweilt der Priester am Grab. Wenn diese korrupte Szenerie vorbei ist, wird das Grab der Lebensmittel entledigt und diese wie bei einem Picknick in großer Familienrunde daneben verspeist. Währenddessen werden unter den Anwesenden auch sinnvolle Geschenke wie Handtücher, Geschirr, Streichhölzer, aber auch leckeres, wie Brot und Süßigkeiten verschenkt.
Wir fuhren auf zwei Friedhöfe, jeweils von der Verwandten väterlicher und mütterlicherseits und anschließend mit extrem vollen Mägen zurück nach Ermoclia.

Am Dienstag machten wir einen Tagesausflug nach Kischinau, der Hauptstadt Moldawiens. Eigentlich hat die Stadt nicht viel zu bieten, aber mit A. und Jakub wurde es eine richtig lustige Zeit. Wir besuchten auch einen Jahrmarkt, dessen Attraktionen noch aus der Sowjetzeit stammten. Vor allem eine Halle mit alten Spielautomaten zog unsere kindliche Aufmerksamkeit auf sich.
Mittwoch hieß es dann Abschied nehmen von A.’s Eltern, die uns beköstigt hatten, als ob wir seit Wochen nichts gegessen hätten, und wir brachen nach Odessa auf. Dort angekommen machten wir uns zum Strand auf und Jakub und ich gingen auch im Schwarzen Meer baden. Ein paar coole ‚Alphas‘ sprangen nach einer Sekunde wieder heraus, aber wir plantschten doch einige Minuten herum, denn es war wirklich herrlich! Als der Tag sich dem Ende zuneigte, nahmen wir denselben Nachtzug, den ich in Lviv verließ und damit der lustige und verrückte Kurzausflug nach Moldawien beendet war.


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