Tiraspol – Schwarzes Meer (Tschornomorske, Ukraine), 1983km, 20.6 – 24.6

Tiraspol – Schwarzes Meer (Tschornomorske, Ukraine), 1983km, 20.6 – 24.6

**Gefundenes Fressen für die Mücken**

So langsam wollte ich dann endlich das Schwarze Meer sehen. Ich hatte eine Information bekommen, dass es bei Teplodar, nordwestlich von Odessa und ungefähr auf halbem Weg zwischen Tiraspol und Odessa, ein nicht fertiggestelltes Atomkraftwerk gibt, dass ich mir natürlich anschauen musste.
Es war also auch Zeit für mich, die Geisterrepublik Transnistrien zu verlassen. Sicherlich kann ich nicht verneinen, dass das Land etwas merkwürdig ist. Aber nach den ganzen anderen abtrünnigen Republiken, dem Durchfahren der Ukraine und Moldawiens, kam es für mich wie ein ganz normales Stück Land in Osteuropa vor.
Money_Transnistria
Okay, ich habe noch kein Land erlebt, in dem Plastikgeld als offizielles Zahlungsmittel gilt. Aber von den Wohnungen, ich habe ja durch Couchsurfing unterschiedliche Wohnungen sehen können, und der Architektur wirkt alles russisch und vielleicht auch ein bisschen – aus der Sicht eines Westlers – sowjetisch angehaucht. Dennoch ist der äußerliche Unterschied zu heutigen Verhältnissen in Russland und anderen Ländern der ehemaligen UdSSR nicht groß. Es ist nicht wirklich offensichtlich, dass z.B. dieses Gebäude
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nicht in die Ukraine oder Moldawien gehört, sondern nach eben nur nach Transnistrien. Des Weiteren hatte ich den Eindruck, dass die jungen Leute nicht so schüchtern wie in der Ukraine waren, Englisch zu sprechen. Mehrere Male war ich im Supermarkt überrascht, als die Kassiererin mir den Betrag auf Englisch nannte, fragte ob das alles sei und mir dann einen schönen Tag wünschte. In der Ukraine war mir das nicht so oft passiert.
Jedenfalls wollte ich nicht die normale Straße nach Odessa nehmen, die über Kutschurgan führt, sondern weiter südlich bei Dnestrovsc die Grenze passieren. Leider musste ich dann feststellen, dass diese keine internationale Grenze ist und so durfte ich wieder „zurück“ – aber es waren ja nur 25km und 30°C.
Am Grenzübergang in Kutschurgan wurde ich dann vom ukrainischen Grenzbeamten gefragt, wo ich denn schliefe. Für mich eine schwierige Frage, weil ich immer denke, dass Hotels oder Hostels als Antwort gehört werden wollen. Nun ja, ich zeigte auf mein Zelt und er erwiderte: „Na ulitse? Dudschu dobro.“ (Draußen? Okay, sehr gut) – Perfekt. Einen Ausreisestempel aus Moldawien hatte ich nicht bekommen, da die Grenzen Transnistriens nicht von Moldawien kontrolliert werden. Ich hatte also einen moldawischen und ukrainischen Einreisestempel.
Abends erreichte ich dann Teplodar und war froh, wieder in einem prall gefüllten und für mich preiswerten Supermarkt einkaufen zu können. Übernachten wollte ich an einem See, doch wurde mir das von Anwohnern nicht empfohlen und sie boten mir hingegen einen Platz in deren Garten an.
Teplodar wurde übrigens wie Prypjat auch nur für die Mitarbeiter des nahen Kernkraftwerkes errichtet. Durch die Katastrophe von Tschernobyl wurde der Bau des AKW dann abgebrochen – genauso wie das AKW bei Schtscholkovo auf der Krim. Heute ist Teplodar jedoch keine Geisterstadt; die meisten der 9000 Einwohner pendeln jeden Tag zum Arbeiten nach Odessa.

Am nächsten Tag fuhr ich dann erst einmal auf das Gelände des Kernkraftwerks. Im Gegensatz zu Schtscholkovo ist hier nicht wirklich Atomkraftwerk zu sehen. Es stehen ein paar Türme und Gebäude herum, in denen irgendwelche Firmen irgendwelche Arbeit machen. Außerdem gibt es eine abgetrennte Bahnstrecke mit einer Diesellok. Ich fuhr ein bisschen herum und zurück durch eine Wieso mit meterhohem Gras, weil ich den Weg nicht mehr fand. Irgendwann fand ich dann doch wieder zum flimmernden Asphalt und machte mich über einen kleinen Umweg Richtung Odessa auf. Ich wollte nicht in der Stadt bleiben, sondern erst einmal ein paar Tage etwas abseits am Schwarzen Meer verbringen und entschied mich für die Straße nach Osten. Die war teilweise ziemlich schmal und stark befahren. Nach einigem Nachfragen, bei dem sich herausstellte, dass das Zelten am Strand natürlich kein Problem war, entschied ich mich aber dagegen, weil einfach zu viele Leute herumwuselten und ich meine Sachen nicht in Sicherheit wusste. Zum Glück fand ich dann eine Datscha-Siedlung hinter Tschornomorske mit einem Art Sicherheitsdienst und mir wurde erlaubt auf dem Gelände mein Zelt aufzubauen.
Von Dienstag bis Freitag verweilte ich dort, ging baden, las viel oder spielte mit einigen Kindern Fußball. Mein Platz war unter Bäumen und so wurde es nie richtig heiß. Aber Abends wird die ganze Küste von kleinen fliegenden Blutsaugermonstern heimgesucht. Wie Rumpelstilzchen sprang ich jeden Abend während des Zubereitens meines Mahles herum und versuchte gleichzeitig zu kochen – Nudeln mit Ikra-Soße – und die Viecher von mir fernzuhalten. Aber es waren zu viele und ihre gierigen Saugkanülen fanden ihren Weg auch durch meine Klamotten.
**Das oben im Text abgebildete Gebäude steht übrigens nicht in Transnistrien sondern in der Ukraine**

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